Immer dem Daumen nach – Teil 2 von 2

von Levyn Bürki

Ich weiss nicht, wie viele Städte ich in meinem Leben schon besucht habe. Aber egal an welche Stadt ich zurückdenke, zu jeder fällt mir ein bestimmter Eindruck ein. Interessant, was da manchmal hängen bleibt…

Bei Athen etwa denke ich an Gummispringballautomaten. Bei Vilnius an einen Punkclub und an indische Gemälde. Mit Salzburg verbinde ich dunkelgraue Dächer und Regenrinnen und mit Johannesburg ein Violinkonzert von Beethoven. In Helsinki gibt es viele grüne Erbsen, in Brüssel geröstete Erdnüsse und in Lille gibt es eine Ringstrasse, welche mir den ersten Lachmuskelkrampf meines Lebens beschert hat. Und hiermit zurück zum eigentlichen Thema, dem Reisen per Autostopp und der Kommunikation am Strassenrand.

So banal es klingt: Autostoppen heisst Autos stoppen. Wer einfach ein Schild an den Strassenrand stellt und sich mit einem Buch an den nächsten Strassenpfosten hockt, wird womöglich bald feststellen, dass die Seitenzahlen schneller dahinfliegen als die zurückgelegten Kilometer.

Autostoppen heisst kommunizieren. Windschutzscheiben schützen nicht bloss vor Wind, sie schützen auch vor sozialerer Interaktion. Wer mitgenommen werden will, muss diese Trennwand aus Glas Mal um Mal durchbrechen. Auto für Auto. Blickkontakt suchen. Handzeichen geben. Lächeln. Winken. Nächstes Auto. Im Zwei-Sekunden-Takt.

Autostoppen heisst durchhalten. Nicht alle Fahrer*innen haben das gleiche Ziel. Nicht alle verstehen das Konzept Autostopp. Auch haben nicht alle genügend Platz im Auto oder die Nerven, im Stossverkehr rechts rauszufahren. Doch jedes neue Auto ist eine neue Chance. Deshalb immer schön freundlich bleiben. Lächeln. Scheibe durchbrechen. Lächeln. Scheibe durchbohren. Lächeln. Scheibe bersten lassen. Lächeln.

In Lille habe ich nach fünf Stunden Lächeln (und besagtem Lachmuskelkrampf) schliesslich aufgegeben und mir ein Busticket nach Brüssel gekauft. Auf dieser Fahrt entstand ein kleines Lexikon zur wortlosen Kommunikation durch die Windschutzscheibe. Hier die Grundlagen:

Autofahrer*in-Deutsch/Deutsch-Autofahrer*in

Fingerzeig nach unten: «Sorry, aber ich bleibe in der Stadt.»
Fingerzeig nach links/rechts/geradeaus: «Sorry, aber ich fahre nicht in deine Richtung.»
Anmerkung: Oft gesehen beim Trampen mit Schild. Aber Obacht: die Navi-fixierten Autopilot*innen der Postmoderne wissen oft nicht mehr, wo ihr Ziel liegt. Sehe es ihnen deshalb nach, wenn sie entschuldigend in die richtige Richtung zeigen und weiterfahren.
Daumen nach oben: «Viel Glück, und mach weiter so!»
Anmerkung: Geniesse den kleinen Energieschub! Du kannst ihn gut gebrauchen.
Scheibenwischer vor Gesicht: «Ja hast du sie noch alle?»
Anmerkung: Eventuell solltest Du überprüfen, ob die Stelle sicher genug ist zum Anhalten. Beachte jedoch: Sicherheit ist oft Ermessenssache und wird von Fahrer*in zu Fahrer*in anders eingeschätzt.
Fingerspitzen aneinander reiben: «Bist wohl nicht bereit, für deine Reise zu bezahlen? Selber schuld!»
Anmerkung: Schade! Diese Art von Fahrer*in hat leider nicht begriffen, worum es beim Autostopp eigentlich geht. Die kostenlose Fahrt ist einzig ein positiver Nebeneffekt.
Gestreckter Mittelfinger: [zensiert]
Anmerkung: Halb so wild, mit denen hättest Du eh nicht mitfahren wollen…
Entschuldigende Geste nach hinten ins volle Auto: «Sorry, aber mein Auto ist schon voll.»
Anmerkung: Kindersitzchen, Pakete, IKEA-Möbel, Krims, Krams und Krempel, … unglaublich, was die Leute alles spazieren fahren! Mach dir eine Liste und prämiere von Zeit zu Zeit die verrückteste Autoladung!
Entschuldigende Geste nach hinten ins leere Auto: [?]
Anmerkung: Puh… was will man da sagen? Lächeln und winken!

Egal wie viele Autos an einem vorbeifahren, bis es dann endlich klappt, eins ist gewiss: Autostoppen macht dankbar. Und hoffnungsvoll. Denn es gibt so viele hilfsbereite Leute da draussen. Menschen mit Interesse an ihren Mitmenschen. Am Gespräch. Am Austausch. Man muss sie nur treffen. Und sei es nur für die fünf Minuten bis zur nächsten Autobahnauffahrt.

Treue Begleiter. Oder: warum man manchmal auch getrennt reisen sollte.

Ich hatte ihn mir schöner vorgestellt, schicker. Aber mein treuster Begleiter auf allen Abenteuer-Touren ist zwar groß, aber eben auch nicht besonders schön oder elegant. Aber dafür eines: er ist praktisch.

Wir haben uns vor sechs Jahren in einem Outdoor-Geschäft kennengelernt. Ich muss zugeben, ich war auf der Suche nach Ersatz. Das Vorgängermodell und ich harmonierten nicht gut genug um sich auf das „Abenteuer meines Lebens“,  damals eine zweiwöchige Lappland-Exkursion, noch einmal gemeinsam einzulassen. Und mit einer frischen Schlüsselbein-Verletzung brauchte ich einen Partner, der mir Gewicht abnahm. Also: Gesucht, gefunden, ausprobiert und nie bereut.

Natürlich rede ich von meinem Rucksack –  aber warum?

Weil ich erklären möchte, warum ich ihn teile. Für mich ist ein guter Rucksack der Knackpunkt für viele Draußen-Aktivitäten. Egal ob Trekking oder Bergwanderung: ohne Hüftgurt und gutes Tragesystem kann aus dem geplanten Abenteuer auch schnell mal eine Tortur werden. Das Gewicht drückt dann unangenehm auf die Schultern, der schwere Rucksack schwankt und beeinträchtigt die Balance – sich durch die Natur bewegen macht einfach weniger Spaß.

Ein guter Rucksack dagegen macht das Leben oder die Tour leichter. Gleichzeitig ist meine Touren-Zeit im Jahr begrenzt: Selbst im Sommer vegetiert der arme Rucksack dann unter meinem Bett vor sich her, ohne die Sonne zu sehen oder sich konstruktiv einbringen zu können. Für mich ist es darum eine Selbstverständlichkeit ihn auch mit anderen Menschen auf Reisen zu schicken. Angst vor Abriebschäden habe ich dabei keine. Warum nicht?

1) Fremdes Eigentum behandeln die meisten Menschen mit noch etwas mehr Respekt als ihr eigenes.

2) Was ich selbst mit meiner manchmal etwas rauen Nutzung nicht kaputt bekomme, wird wohl auch noch Abenteuer mit anderen überstehen.

3) Auch herumliegende Ausrüstung altert. Ich möchte aber, dass sie ein spannendes und sinnvolles Leben hat. Ich selber möchte ja auch lieber erleben und dabei neue Erfahrungen machen, als mich unbeschädigt zu langweilen

Und du? Welche Ausrüstung teilst du, welche ist dir „heilig“? Wir freuen uns über deine Kommetare! #OutdoorSharingIsCaring